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MAINfeeling Frühling 2022

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IN DEM KLEINEN QUARTIER

IN DEM KLEINEN QUARTIER AUF DEM SÜDÖSTLICHEN TEIL DES NAXOSGELÄNDES IM FRANKFURTER OSTEND STEHEN SECHS WOHNHÄUSER, DIE GENOSSENSCHAFTLICH ODER GEMEINSCHAFTLICH ORGANISIERT SIND. FÜR DIE BEWOHNER SIND SIE MEHR ALS IHR LEBENSRAUM. SIE SIND AUCH EIN ORT DER BEGEGNUNG. Von Sabine Börchers und Tim Wegner (Fotos) Auf der Rasenfläche stehen ein aus Paletten selbstgezimmerter Unterschlupf und ein Trampolin. Im Hausflur liegen Kinderfahrräder und Roller übereinander. Vor den Wohnungstüren stapeln sich kleinere und größere Schuhe. Insgesamt 16 Kinder wohnen mit ihren Familien in acht Wohnungen des Hauses in der Waldschmidtstraße. „Wenn so viele Kinder im Sommer draußen durch den Innenhof toben, dann ist das laut“, sagt Andrea Haller, die mit ihrem Mann Franck Pascal und den zwei Mädchen im Alter von 8 und 15 Jahren seit November 2014 in dem Haus der Frankfurter Wohnbaugenossenschaft (WBG) lebt. Beschwerden von den eigenen Nachbarn wegen des Lärms muss sie zwar nicht erwarten, schließlich sind es alles Gleichgesinnte. Doch ihr Haus ist nur eines von sechs genossenschaftlich oder gemeinschaftlich organisierten Projekten, die auf dem Areal der Naxoshalle entstanden sind – mit ganz unterschiedlichen Konzepten. Genau gegenüber grenzt etwa das Lila Luftschloss der Frauenwohnungsbau eG an den gemeinsamen Innenhof, in dem zumeist alleinstehende Frauen leben. Es gibt ein etwas abgelegeneres Musikerhaus mit schallisolierten Räumen zum Üben, aber es stehen auch Häuser am Hof, in denen zahlreiche ältere Menschen wohnen, so wie Charlotte Sturm. Gemeinsam mit seiner Frau Cora Lehnert und Freunden hat Niels Lanz die Genossenschaft „Schnelle Kelle“ gegründet.

STORY 18 | 19 den vielen Gesprächen andere Perspektiven kennenlerne, habe sie eine andere innere Toleranz entwickelt, sagt sie. „Ich habe zum Beispiel verstanden, dass es für die Jugendlichen notwendig war, im Lockdown mal die Regeln zu überschreiten und sich zu treffen.“ FAMILIENFREUNDLICHES WOHNEN MIT VERANTWORTUNG Den Grund für die besondere Lebensqualität in ihrem Quartier können alle Befragten sofort benennen: die genossenschaftliche Wohnform. Im Falle von Andrea Haller und ihrem Mann bedeutet das, dass sie sich bei der WBG um die Wohnung bewarben und bei ihr Mitglied wurden. Der Anteil entspreche etwa einer normalen Kaution, sagt Haller. Für ihre 4-Zimmer-Wohnung zahlen sie keine Miete, sondern eine Nutzungsgebühr. Die erwirtschafteten Gewinne der Genossenschaft kommen den Mitgliedern wieder zugute, indem davon etwa Neues gebaut oder die Gebäude instand gehalten werden. „Der Gedanke, dass niemand Profit aus meinem Wohnen zieht, hat mir gefallen“, sagt Haller. Doch ein noch entscheidenderer Grund gab vor sieben Jahren für sie den Ausschlag für die Wohnform: Eine vergleichbar günstige Wohnung im Erstbezug hätte die Familie auf dem freien Markt kaum gefunden. Mit dem familienfreundlichen Wohnen geht aber auch eine Verantwortung einher. Die Bewohner entscheiden Charlotte Sturm genießt den Austausch der Generationen. Klar, sie ärgere sich auch mal darüber, wenn ein Kind mit dem Fahrrad durch die Blumenbeete fahre, gibt die 70-Jährige zu. Sie sei aber gelassener geworden. Wenn sie auf die Kinder ihrer Nachbarn trifft, dann fragt sie meist interessiert, wie es in der Schule läuft oder wie es ihnen in der Coronazeit ergeht. Der Kontakt zur jüngeren Generation falle ihr leicht, sagt sie. Das sei in ihrer früheren Mietwohnung anders gewesen und mache einen Teil der Wohnqualität auf dem Naxosgelände aus. Die Atmosphäre in dem kleinen genossenschaftlichen Quartier ist besonders. Dort kennen sich alle mit Namen. Begegnungen sind ausdrücklich erwünscht. Dafür gibt es nicht nur den Hof. Die Häuser haben Gemeinschaftsräume und eine Dachterrasse. Während des Lockdowns wurden Hofkonzerte organisiert, denen jeder auf seinem Balkon lauschen konnte. Ein gemeinsamer E-Mail-Verteiler sorgt dafür, dass alle Anwohner stets informiert sind. „Ich bin schon offener, wenn ich in den Hof komme, weil ich darauf eingestellt bin, dass ich Nachbarn und Kinder treffe und mit ihnen spreche“, sagt Charlotte Sturm. Selbst wenn sie ihre Wäsche in der Waschküche aufhängt, die im obersten Stock ihres Hauses direkt neben der Dachterrasse liegt, komme sie manchmal vor lauter Reden erst Stunden später zurück in ihre Wohnung, erzählt sie und genießt das. Dadurch, dass sie in Nicht immer alles in Reih und Glied – im MGH üben sich alle auch in Toleranz.