LESENSWERTENDLICH FRÜHLING: DIE NATUR ERWACHT, DIE KNOSPEN SPRIESSENUND AUCH IN DEN VERLAGEN RASCHELN DIE BLÄTTER –DENN ES IST DIE ZEIT FÜR INTERESSANTE NEUERSCHEINUNGEN.Verzauberte Vorbestimmung von Jonas LüscherEin Traumroman, dessen Ausgangspunkt die schwere Corona-Infektion des Autors war. Sein Ich-Erzählerwandelt durch Jahrhunderte hinweg auf den unterschiedlichsten erzählerischen Pfaden. Es geht um das(Über-)Leben eines algerischen Soldaten, den Schriftsteller Peter Weiss, um Menschen und Maschinen,die Vergangenheit, Gegenwart – und eigentlich um Leben und Tod und alles, was dazwischenliegt.Traumwandlerisch, fiebrig, beeindruckend, groß.Carl Hanser Verlag, 352 Seiten, 26 Euro, ISBN 9783446283046Man kann auch in die Höhe fallen von Joachim MeyerhoffEin neuer Band für Meyerhoffs autobiographisches Romanprojekt „AlleToten fliegen hoch“. Mit Mitte 50 zieht der Erzähler zu seiner 30 Jahreälteren Mutter aufs Land, um dort an einem Roman über das Theatermit dem Titel „Scham und Bühne“ zu schreiben. Es werden ereignisreicheWochen, in denen er durch die Hilfe seiner idealisierten, trinkfesten,lebenslustigen Mutter, die fitter zu sein scheint als der Sohn, aus einertiefen Lebenskrise findet. Selbstironisch und tragikomisch – jedochohne, dass der Autor seine Figuren der Lächerlichkeit preisgibt.Kiepenheuer und Witsch, 368 Seiten, 26 Euro, ISBN 9783462006995ULRIKEEDSCHMIDDIE LETZTEPATIENTINROMANSUHRKAMPDie letzte Patientin von Ulrike EdschmidEin kurzes Buch über zwei Frauen in Extremsituationen, derenSchicksale miteinander verwoben sind und deren Leben eigentlichStoff für zwei Romane böte. Die eine – verletzt, rastlos die Liebesuchend – wird Trauma-Therapeutin. Die andere, zunächst sprachlos,wird ihre letzte Patientin und gibt ihr schließlich die Liebe, die siezuvor nirgends hatte finden können. Knapp, fesselnd, fein konstruiert.Suhrkamp Verlag, 111 Seiten, 23 Euro, ISBN 9783518431832Rilke, Dichter der Angst von Manfred KochAm 4. Dezember würde Rainer Maria Rilke 150 Jahre alt – das könnte man im ausgerufenenThomas-Mann-Jahr 2025 fast vergessen. Tun wir aber nicht, und noch weniger der GermanistManfred Koch, der eine der jüngsten Biographien über einen der größten Dichter des20. Jahrhunderts verfasst hat. Dessen Werk sei, so Koch, vor allem in Ängsten verwurzelt,die Rilke jedoch in Kreativität umgemünzt habe. Durch die ausführlichen Textanalysen wirdKochs Biographie zur gesamtheitlichen Betrachtung eines Lebens am Abgrund. Feinfühlig.C. H. Beck Verlag, 560 Seiten, 34 Euro, ISBN 9783406821837Fotos: Verlage
LESENSWERT 42 | 43MARIA STEPANOVA suhrkampDer Absprung von Maria StepanovaWie schreibt man, wenn einem die Wörter im Mund zerfallen? Was kann man tun, wenn daseigene Land nur noch für Tod und Zerstörung steht? Die Schriftstellerin M., seit einigen Monatenim europäischen Exil, bricht ins Nachbarland auf – ein Festival hat sie zu Lesungen eingeladen.Die Reise ist voller Pannen und M. strandet schließlich in einer fremden Stadt, ganz auf sichallein gestellt. Was sie zunächst schockiert, entpuppt sich jedoch als die langersehnte Chanceauf Befreiung und Freiheit; M. wandelt sich von der Heimatlosen zur Abenteurerin.Suhrkamp Verlag, 141 Seiten, 23 Euro, ISBN 9783518431979Acht Orte Acht Autor: innen – Begegnungen zwischen Literaturund Architektur, von Hauke Hückstädt, Oliver Elser (Hg.)Das Literaturhaus Frankfurt und das Deutsche Architekturmuseum habendiese Begegnungen zwischen Literatur und Architektur angestoßen und soeinen Dialog zwischen dem jeweiligen Ort und dem Autor, zwischen Stadtund Betrachter initiiert. Zsuzsa Bánk, Britta Boerdner, Jan Brandt, AmandaLasker-Berlin, Eckhart Nickel, Jakob Nolte, Manja Präkels, Anna Yeliz Schentkeführen quer durch Frankfurt und setzen sich literarisch mit bekannten undnahezu unbeschriebenen Orten auseinander. Spannend.Henrich Editionen, 124 Seiten, 14 Euro, ISBN 978 – 3-96320 – 081 – 6Architekturführer Frankfurt 2000 – 2009von Wilhelm E. Opatz, Freunde Frankfurts (Hg.)Gestartet ist das Projekt – das zwischen Fachbuch und Coffeetable-Book mäandertund längst Kultstatus hat – mit dem Jahr 1950. Mittlerweile ist man in der Gegenwartangekommen. Jeder Band bietet natürlich Highlights der jeweiligen Epoche, dazukommen Entdeckungen und Bauten, die man selbst als eingefleischter Frankfurterwahrscheinlich kaum zu Kenntnis genommen hat. Statt Komplettansichten geht eshier um die Details. Und die machen nicht nur neugierig, sondern fordern förmlichdazu auf, zukünftig noch aufmerksamer durch die (Heimat-)Stadt zu flanieren.Junius Verlag, 208 Seiten, 48 Euro, ISBN 9783960605911Zauberberg 2 von Heinz StrunkEine Hommage an den Klassiker im Thomas-Mann-Jahr – oder eher ein Remix? Jonas Heidbrinklebt ein Leben auf der Überholspur: Schon vor seinem 30. Geburtstag kann er sich zurRuhe setzen. Doch statt dass er diesen Zustand genießt, erleidet er ein Burnout und bricht auf,um Heilung zu finden. Zwar nicht wie Manns Hans Castorp nach Davos, sondern gen Osten,nahe Stettin. Hier will er seine Angstzustände überwinden und den Lebenssinn wiederfinden.Doch anstelle von Freiräumen entdeckt er in dem noblen Sanatorium ein enges Korsett ausAnwendungen und Terminen – und Menschen (Mitpatienten und Ärzte), die in ihrem ganzeigenen Kosmos leben. Melancholisch, überzeichnet, unerschrocken.Rowohlt Verlag, 228 Seiten, 25 Euro, ISBN 9783498007119
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