Aufrufe
vor 6 Monaten

MAINfeeling Winter 2022

  • Text
  • Bar
  • Nightlife
  • Cocktail
  • Pik dame
  • Nachtclub
  • Kinder
  • Männer
  • Frauen
  • Emapthie
  • Rheinmain
  • Frankfurt
Das Lifestyle-Magazin für Rhein-Main

LESENSWERT WINTERZEIT

LESENSWERT WINTERZEIT IST LESEZEIT, DENN DRAUSSEN IST ES KALT UND UNGEMÜTLICH. GUTE BÜCHER BIETEN EINE WILLKOMMENE ABWECHSLUNG ZU ALLZU VIEL ADVENTSLIEDGUT. Der Sandkasten von Christoph Peters Eine schonungslose, messerscharfe Bestandsaufnahme der politischen Kultur eines ganzen Landes. Siebenstädter hat schon alles gesehen. Als Moderator einer Politsendung im Radio kennt er sich aus, glaubt an gar nichts und fühlt sich prädestiniert, die Lügen der Eliten aufzudecken. Mit der Coronakrise jedoch verändert sich das Spiel: Siebenstädter hat ebenso Zweifel an den staatlichen Maßnahmen wie Abscheu gegenüber Verschwörungsgläubigen und die eigene Ehe läuft auch nicht rund. Gesellschaftskritisch, politisch, witzig. Luchterhand Literaturverlag, 256 Seiten, 22 Euro, ISBN: 9783630874777 Und wo mein Haus? von Peter Kurzeck Wie sehr er fehlt, dieser Peter Kurzeck. Mit diesem aus dem Nachlass erscheinenden achten Band des auf zwölf Bände ausgelegten Riesen- Projekts „Das alte Jahrhundert“ taucht man erneut ein in Kurzecks Kosmos. In diesem Romanfragment, herausgegeben von Peter Deube, gibt Kurzeck, selbst Flüchtlingskind aus dem Sudetenland, den Displaced People aus Böhmen einen Platz im kollektiven Gedächtnis. Fein beobachtet und erzählt. Eine nachdenklich machende Erinnerung in Zeiten, in denen in Europa wieder Krieg herrscht. Schöffling und Co. Verlag, 176 Seiten, 24 Euro, ISBN: 9783895616938 Nachleben von Abdulrazak Gurnah In seinem dritten ins Deutsche übersetzten Roman führt der britisch-sansibarische Nobelpreisträger seine Leser wieder ins Ostafrika der deutschen Kolonialherrschaft. Nüchtern und schnörkellos werden die Schicksale der vier Protagonisten Ilyas, Afiya, Khalifa und Hamza erzählt, die sich an wahren Begebenheiten und Lebensgeschichten orientieren. Auch wirft Gurnah die Frage nach der Kontinuität zwischen Nationalismus und Kolonialismus auf. Ein Buch über die Ambivalenz der Kolonialherrschaft. Mit Nachhall. Penguin Verlag, 384 Seiten, 26 Euro, ISBN: 9783328602590 Taube und Wildente von Martin Mosebach Wie jedes Jahr verbringt die Familie Dalandt den Sommer in der Provence. Die Hitze macht träge, in der Zypresse zirpen Zikaden, und jeden Morgen läuft die Hausherrin im Nachthemd durch den Garten zum Pförtnerhaus, wo der Verwalter sie erwartet. Ihr Mann ist durch eine eigene verhängnisvolle Beziehung abgelenkt. Da entzündet sich ein Ehestreit an „Taube und Wildente“, einem Stillleben aus dem 19. Jahrhundert. Ein gewohnt subtiles, fein komponiertes Familiendrama mit kunstphilosophischen Betrachtungen, bei dem Mosebach einmal mehr mit Lust den gutbürgerlichen Rahmen sprengt. dtv, 336 Seiten, 24 Euro, ISBN: 9783423280006

LESENSWERT 46 | 47 I N G E B O R G B A C H M A N N M A X F R I S C H »Wir haben es nicht gut gemacht.« P I P E R S U H R K A M P I N G E B O R G B A C H M A N N M A X F R I S C H »Wir haben es nicht gut gemacht.« D E R B R I E F W E C H S E L P I P E R S U H R K A M P Wir haben es nicht gut gemacht von Ingeborg Bachmann und Max Frisch Frühjahr 1958: Ingeborg Bachmann bringt gerade das Hörspiel „Der gute Gott von Manhattan“ auf Sendung. Max Frisch, in dieser Zeit mit Inszenierungen von „Biedermann und die Brandstifter“ beschäftigt, schreibt der „jungen Dichterin“, wie begeistert er von ihrem Hörspiel ist. Mit Bachmanns Antwort im Juni 1958 beginnt ein Briefwechsel, der – vom Kennenlernen bis lange nach der Trennung – in fast 300 überlieferten Schriftstücken Zeugnis ablegt vom Leben, Lieben und Leiden eines der bekanntesten Paare der deutschsprachigen Literatur. Mit Briefen von Verwandten, Freunden und Bekannten. Suhrkamp Verlag, 1039 Seiten, 40 Euro, ISBN: 9783518430699 Echos der Stille von Chuah Guat Eng Nach den ethnischen Unruhen im Mai 1969 verlässt Ai Lian, eine junge chinesische Malaysierin, ihre Heimat. In München begegnet ihr der Engländer Michael Templeton, der, ebenfalls in Malaysia, auf der Kautschukplantage seines Vaters aufgewachsen ist. Sie verlieben sich und reisen zusammen durch Europa. Weihnachten 1973 wollen sie auf dem Anwesen von Michaels Vater, Jonathan Templeton, verbringen. Bei ihrer Ankunft bei den Templetons geschieht jedoch ein Mord, in dessen Aufklärung Ai Lian schnell verwickelt wird. Die Art und Weise, wie Eng zeigt, wie sich Geschichte bisweilen auf individuelles Leben auswirkt, ist ebenso spannend wie komplex. Verlag Das Wunderhorn, 464 Seiten, 28 Euro, ISBN: 9783884236772 Annie Ernaux Das andere Mädchen Bibliothek Suhrkamp Das andere Mädchen von Annie Ernaux In diesem Werk stellt sich die Nobelpreisträgerin die Frage, ob sie ihre Lebenskraft und Energie möglicherweise aus dem Tod ihrer toten Schwester zieht. Sie beschreibt, wie sie ganz nebenbei als Zehnjährige erfährt, dass sie eine Schwester hatte. Dies ändert ihr Leben mit einem Schlag, wird zum Ausgangspunkt einer weiteren Selbstbefragung, für die Auseinandersetzung mit den Eltern, mit denen sie nie über die Verstorbene gesprochen hat. Der Text, ein Brief an die tote Schwester, aber auch ein Brief an sich selbst, der zu einer Erkenntnis führt: „Ich schreibe nicht, weil du gestorben bist. Du bist gestorben, damit ich schreibe.“ Suhrkamp Verlag, 80 Seiten, 18 Euro, ISBN: 9783518225394 Fotos: Verlage Der Passagier 1980, Pass Christian, Mississippi: Bobby Western, Bergungstaucher mit Tiefenangst, stürzt sich ins dunkle Meer und taucht hinab zu einer abgestürzten Jet Star. Im Wrack findet er neun in ihren Sitzen festgeschnallte Leichen. Es fehlen: der Flugschreiber und der zehnte Passagier. Bald mehren sich die Zeichen, dass Western in etwas Größeres geraten ist. Dazu gibt es eine Parallelgeschichte über Bobs (inzestuös?) geliebte Schwester Alicia. Ein Roman über die großen Fragen des 20. Jahrhunderts – über Moral und Wissenschaft, das Erbe von Schuld, über Gott, Liebe und den Wahnsinn. Rowohlt Verlag, 528 Seiten, 28 Euro, ISBN 9783498003371